50
Jahre
Evangelisch-Freikirchliche
Gemeinde
in Merkstein
1922-1972
Eine der traurigsten Tatsachen der Kirchengeschichte ist die Zerrissenheit der Christenheit und ihre Aufsplitterung in viele verschiedene Konfessionen und Gruppen. Unter dieser Not, die unser Zeugnis in der unchristlichen Welt sehr stark hemmt, leiden wir alle. Andererseits aber müssen wir auch versuchen, die Entstehung der verschiedenen Kirchen zu verstehen. Die Gemeinde Christi hatte von ihrem Ursprung an einen Kampf nach zwei Seiten hin zu führen: Nach außen gegen den Unglauben und die Verfolgungen und nach innen gegen das Eindringen von Irrlehren in die eigenen Reihen. Aber trotz aller Warnungen schlichen sich, besonders nachdem das Christentum zur Staatsreligion erhoben und ganze Völker mit Gewalt christianisiert worden waren, viele Irrtümer, oft heidnischen Ursprungs, in die christliche Kirche ein. Eine Folge davon war, daß solche, die an der biblischen Lehre festhalten wollten, genötigt wurden, sich von der bestehenden Kirche zu trennen und sich in neuen Gemeinden zu sammeln. Dieser überaus traurige Vorgang der Kirchenspaltung wiederholte sich in Laufe der Jahrhunderte mehrere Male.
Am bekanntesten ist die Reformation im 16. Jahrhundert, die durch die Kritik einiger ernster, frommer und gebildeter Männer - es waren in Deutschland Martin Luther, in der Schweiz Huldreich Zwingli und Johannes Calvin -an der Lehre und dem Leben der katholischen Kirche entstand. Zunächst wollten die "Reformatoren", wie sie später genannt wurden, nur innerhalb der katholischen Kirche eine Erneuerung schaffen. Das scheiterte jedoch am Widerstand Roms, und so wurden die "Protestanten" zur Bildung einer eigenen "evangelischen" Kirche genötigt.
Es gab damals schon eine Gruppe ernster und entschiedener Christen, die auf Grund ihres gewissenhaften Bibelstudiums eine Weiterführung dieser Reformation im Blick auf die neutestamentliche Lehre und Praxis der Taufe der Gläubigen und der Bildung einer wahren Christengemeinde, die nur aus gläubigen Menschen besteht, wünschten. Vor allem in der Schweiz, in Süddeutschland und am Niederrhein bildeten sich solche "Täufergemeinden".
Obwohl es sich bei den allermeisten von ihnen um sehr nüchterne und fromme Christen handelte und nur an einigen Orten radikale Vorstellungen in den Gemeinden Eingang fanden, waren diese dann doch der Anlaß, daß alle Täufergeneinden einer grausamen Unterdrückung zum Opfer fielen.
Aber der Gedanke, Gemeinden von gläubigen Christen zu bilden, die sich auf das Bekenntnis ihres Glaubens taufen lassen, blieb lebendig. So kam es, daß im Jahre 1609 in Amsterdam in einer kleinen Gruppe von 40 englischen Flüchtlingen, die aus Glaubensgründen ihre Heimat verlassen hatten, die Taufe von Gläubigen vollzogen wurde. Die Getauften kehrten wenige Jahre später wieder nach England zurück. In den folgenden Jahrzehnten fanden die "Baptisten" ihre Ausdehnung in ganz England und Nordamerika. Der Name "Baptist" bedeutet Täufer und wurde den Gliedern der neuen Gemeinde gegeben, weil sie an der biblischen Bedeutung und Form der Taufe festhielten. Heute sind die Baptistengemeinden in etwa 120 Ländern über die ganze Erde verbreitet, besonders stark in Nordamerika und Rußland, und zählen über 31 Millionen Gemeindeglieder, die auf Grund ihres persönlichen Glaubensbekenntnisses getauft sind. Die Kinder werden nicht mitgezählt. Die Baptisten sind somit eine der stärksten Gruppen innerhalb des Weltprotestantismus.
In Deutschland entstand die erste "Gemeinde gläubig getaufter Christen" (Baptistengemeinde) zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in Hamburg. Der Kaufmann Johann Gerhard Oncken, der auf Grund sorgfältigen Bibelstudiums die Überzeugung gewonnen hatte, daß nach dem Befehl Jesu nur gläubige Christen getauft werden und eine Gemeinde bilden sollen, ließ sich 1834 zusammen mit einigen Gleichgesinnten in der Elbe taufen. Er unternahm später weite Missionsreisen durch Deutschland und die Nachbarländer, ja bis nach Rußland und in den Balkan hinein. Anfänglich hatten die neu entstandenen Gemeinden unter starken Behinderungen durch den Staat und die Kirchen zu leiden. Im Laufe der Jahre aber errangen sie die religiöse und öffentlich-rechtliche Anerkennung. 1849 schlossen sich die Gemeinden zum Bund der Baptistengemeinden in Deutschland zusammen.
Etwa um die gleiche Zeit entstand in Deutschland die sogenannte "Christliche Versammlung", und einige Jahrzehnte später bildeten sich Gemeinden der "Offenen Brüder". Diese beiden Gruppen schlossen sich im Jahre 1937 zum "Bund freikirchlicher Christen" (BfC) zusammen. Diese Christengruppe ist unter der Bezeichnung "Brüder" (Brethren) in vielen Ländern der Welt vertreten, vor allem in Großbritannien. Im Jahre 1941 erfolgte ein Zusammenschluß zwischen dem "Bund der Baptistengemeinden" und dem "Bund freikirchlicher Christen" zum "Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden". Die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden haben heute in beiden Teilen Deutschlands etwa 550 Gemeinden mit 1800 Versammlungsplätzen und etwa 100 000 Glieder. Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden hat die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden sind, wie ihr Name schon sagt, eine Freikirche. Sie achten den Staat als die weltliche Obrigkeit (Römer 13) und beten für Volk und Regierung; aber sie lehnen jede Abhängigkeit vom Staat ab. Als Freikirche haben sie nur solche Menschen zu Mitgliedern, die sich auf Grund ihrer Bekehrung und des Bekenntnisses ihres Glaubens in die Gemeinde aufnehmen ließen und bereit sind, ein entschieden christliches Leben zu führen. Alle Bedürfnisse ihres Gemeinde- und Missionshaushaltes werden aus freiwilligen Beiträgen ihrer Mitglieder bestritten, über deren Verwendung genaue Rechenschaft vor der Gemeinde gegeben wird.
Ihre Geschichte ist eng verknüpft mit der Geschichte der gesamten Christenheit. Sie sind evangelische Christen und haben darum mit den anderen evangelischen Kirchen viel Gemeinsames in der Form ihrer Gottesdienste, in ihren Liedern und in der Missionsarbeit, in welcher ihr Missionswerk in den vordersten Reihen der auswärtigen Missionen steht. Sie beanspruchen aber nicht, die einzigen wahren und ernsten Nachfolger Christi zu sein und die alleinseligmachende Kirche darzustellen, sondern fühlen sich in Gegenteil mit allen verbunden, die Jesus Christus von Herzen lieben und in ihm den Frieden mit Gott suchen.
Die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden bilden zusammen mit der Evangelisch-Methodistischen Kirche und dem Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland die "Vereinigung evangelischer Freikirchen". Sie sind Glieder der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland", zu welcher die evangelischen Landeskirchen und Freikirchen gehören, und sie nehmen regen Anteil an der "Evangelischen Allianz".
Als evangelische Christen bekennen sie sich zu dem reformatorischen Grundsatz: "Allein die Heilige Schrift ist maßgebend für Lehre, Leben und Ordnungen der Kirche. Freilich ist die Bibel ein Buch, das von Menschen geschrieben wurde, aber diese Menschen haben unter der besonderen Führung des Heiligen Geistes gestanden. Darum steht in 2. Petrus 1,21: "Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht; sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist." Das Zentrum der Bibel ist Jesus Christus. Auf ihn, unseren Retter und Erlöser, will sie hinweisen. Die Worte, die angeben, warum das Johannesevangelium niedergeschrieben wurde, gelten mit Recht für die ganze Bibel: "Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen" (Johannes 20,31).
(Aus "Die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden", Eine kurze Darstellung ihrer Lehre und Geschichte von Pastor Werner Rosemann.)
Im Jahre 1913 kam Schwester Milda Groß mit ihrem Mann Paul Groß von Niederplanitz/Sa. nach Merkstein, wo ihr Mann als Schlosser Arbeit auf der Zeche fand. Sehr bald war die Verbindung zu den Geschwistern Reuber in Kohlscheid hergestellt, und sie besuchten fortan regelmäßig die Gottesdienste in Kohlscheid, bis sie in ihrer eigenen Wohnung in Merkstein Versammlungen einrichten konnten. Durch Vermittlung von Geschwister Reuber kamen der Prediger und andere dienende Brüder aus Köln zum Predigtdienst nach Merkstein. Bald darauf wurde Paul Groß in der Gemeinde Köln-Rheinaustraße getauft. Nun begannen regelmäßige Gottesdienste in der Wohnung der Geschwister Groß, die auch von Gliedern der Freien evangelischen Gemeinde besucht wurden. Es kamen weiterhin die Brüder aus der Rheinaustraße zum Dienst nach Merkstein. Als aber nach dem ersten Weltkrieg infolge der belgischen Besetzung des Rheinlandes die Fahrmöglichkeiten erschwert wurden, übernahm die Gemeinde in Rheydt die Betreuung der Merksteiner Geschwister. Damals dienten die Prediger Seckelmann und Weskott in Merkstein mit dem Wort. In den Bibelstunden und an den Sonntagen, an denen kein Prediger kommen konnte, dienten die Merksteiner Brüder abwechselnd.
Während dieser Zeit muß es auch zu einer gewissen Selbständigkeit in Merkstein gekommen sein. Man hatte einen eigenen Vorstand und eine eigene Kassenverwaltung. In einem alten Protokollbuch aus den Jahren 1931 und 1952 wurde vermerkt, daß die Gemeinde am 21. Februar 1932 ihr 10. Jahresfest feierte, an dem etwa 100 Personen teilnahmen.
Von 1922 bis 1937 fanden die Gottesdienste in einer Schule statt. Im Jahre 1937 mietete Bruder Reuber aus Kohlscheid im Ortsteil Boscheln ein Haus, in dem sich ein Ladenlokal befand. Man brach die Wand zu einem angrenzenden Zimmer durch und gewann so einen größeren Versammlungsraum, in dem nun die Gottesdienste abgehalten wurden. Hier konnte sich die Gemeinde gut entfalten. Es entstand auch ein kleiner Chor und ein Jugendkreis. Die Sonntagsschularbeit machte ebenfalls sehr gute Fortschritte.
Während des 2. Weltkrieges wurde der Raum beschlagnahmt und für Militärzwecke verwandt. Die Geschwister versammelten sich nun im Saal der Freien evangelischen Gemeinde. Im Jahre 1944 wurde die gesamte Zivilbevölkerung aus Merkstein evakuiert. Nach der Rückkehr im Jahre 1945 richtete man gemeinsam mit der Freien evangelischen Gemeinde Hausversammlungen ein.
Von 1946 - 1953 fanden die Gottesdienste - wie schon in den dreißiger Jahren - wieder in einer Schule statt. Der Raum mußte aber mit der Neuapostolischen Gemeinde geteilt werden. Im Jahre 1952 bekam die Baptistengemeinde von der politischen Gemeinde das Grundstück an der Goethestraße 37 geschenkt. Die kleine Schar baute nun aus eigener Kraft und unter großen persönlichen Opfern eine ansprechende Kapelle, in der sie sich auch heute noch versammelt. Inzwischen wurde noch ein Jugendraum auf dem Grundstück errichtet. Im Jahre 1967 wurde mit dem Vereinigungszelt eine Zeltmissionsarbeit durchgeführt, bei der besonders die Kinderstunden gut besucht waren. Daraus ergab sich eine neue Jungen- und Mädchenjungschararbeit.
(Aus "Es begann 1868 in Köln", Festschrift zum 100 jährigen Bestehen der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Köln, Beitrag von Pastor Rudolf Paas auf den Seiten 154-155.)
Lange war es unser sehnlichster Wunsch, in Merkstein und Alsdorf aus der Abhängigkeit und aus der Schulhausatmosphäre herauszukommen; denn jahrelang fanden die Gottesdienste in einem Klassenraum der Volksschule statt. Unermüdlich suchten die Brüder nach Möglichkeiten, um zu einem eigenen Versammlungsraum bzw. zu einer eigenen Kapelle zu kommen, wobei es nicht an Bitten und Flehen für die Verwirklichung dieses Wunsches fehlte. Als es durch die Bemühungen und persönlichen Beziehungen dahin kam, daß die Gemeindeverwaltung uns einen Bauplatz zum Bau eines Gotteshauses schenkte, worin wir eine sichtbare Gebetserhörung und eine Weisung von oben her sahen, wurde gläubig an den Bau geschritten.
Nun begann ein Opfern, Wetteifern und ein Handanlegen, so daß in einem halben Jahr, im Frühjahr dieses Jahres, die Kapelle im Rohbau fertig dastand. Mit dem Ziel, das diesjährige Erntedankfest im eigenen Gotteshaus zu feiern, wurde gläubig weitergebaut. Der Herr schenkte es uns, daß wir am 11. Oktober 1953 den Einzug in unsere Kapelle halten durften.
Der Kapellenbau umfaßt einen Saal mit 80 - 100 Sitzplätzen und eine Kastellanswohnung im Gesamtwert von DM 35.000. Der Bau wurde von 35 Mitgliedern der Station Merkstein und Alsdorf unter vielen Opfern, ohne Hilfe von außen, und durch vorbildlichen Arbeitseinsatz der Brüder getragen, da nur für die Spezialarbeiten Handwerker herangezogen wurden.
Am frühen Morgen versammelte sich die Gemeinde bei strahlendem Herbstwetter vor ihrer neuen Kapelle. Von nah und fern waren die Geschwister, Freunde und Gönner gekommen, um an unserer Freude teilzunehmen. Unter unseren Gästen begrüßten wir u. a. den Posaunenchor einer holländischen Nachbargemeinde aus Treebeek und den Männerchor der Gemeinde Wermelskirchen. Als Auftakt der Weihefeier spielte der Posaunenchor einen Choral. Danach übergab der Bürgermeister, Herr Landrock, dem Prediger, Bruder Hemmen, den Schlüssel zur Kapelle, wobei er Worte der Anerkennung an die Merksteiner Geschwister richtete. Es folgte ein Männerchorlied der Wermelskirchener Brüder und die Verlesung des 100. Psalms durch Bruder Hemmen. Nach dieser kurzen Feier vor der verschlossenen Kapelle schloß Bruder Hemmen das Gotteshaus auf und geleitete als erste das älteste Ehepaar der Gemeinde, Geschwister W. Reuber, Alsdorf, beide ca. 80 Jahre alt, in die Kapelle. Der nun folgenden Weihepredigt legte Bruder Hemmen die Worte aus 2. Mose 25, 8 zugrunde und führte aus, daß die großen Opfer, die gebracht wurden, erst dann einen Sinn bekommen werden, wenn in diesem Haus wirklich Gott wird wohnen können. Danach überbrachte der Gemeindedirektor, Herr Derichs, die Grüße der Verwaltung von Merkstein und führte aus, daß der Bau nun fertig wäre und daß wir alle jetzt an uns bauen müßten. Der Rektor der Schule, in welcher sich die Geschwister bis dahin versammelt hatten, überbrachte auch ein Grußwort an die Gemeinde. Die Grüße der Vereinigung Rheinland und des Bundes überbrachte Bruder Zimmermann, Köln-Mülheim, und schloß den Wunsch daran, daß die Kapelle zur Ehre Gottes dienen möchte.
Umrahmt wurde die Vormittagsfeier mit den herrlichen Liedern des Wermelskirchener Männerchores. Nach Abschluß der Versammlung zogen sowohl der holländische Posaunenchor wie auch der Männerchor auf den Platz vor dem Rathaus, wo abwechselnd zur Ehre Gottes gespielt und gesungen wurde. Am Nachmittag um 16 Uhr versammelte sich die Gemeinde mit ihren Gästen zur Nachmittagsfeier, an welcher auch die Geschwister und der Gemischte Chor aus Aachen teilnahmen. Die Kapelle konnte nicht alle fassen, die gekommen waren, und viele wohnten dem Gottesdienst draußen bei.
Die Festpredigt hielt Bruder Adam, Köln-Mülheim, und legte ihr das Schriftwort aus Epheser 10, 19-25 (wohl eher 1,19-23; drb) zugrunde. Der Pfarrer der Evangelischen Kirche in Merkstein, Herr Wonorowitz, grüßte mit der Tageslosung der Brüdergemeinde, Psalm 1, 3. Der Prediger der Freien evangelischen Gemeinde, Bruder Aderhold, grüßte mit dem Wort 1. Petrus 2, 2-5, und ein Bruder als Vertreter der Gemeinde Wermelskirchen legte seinem Gruß 1. Petrus 2, 9 zugrunde. Auch am Nachmittag grüßte der Bürgermeister, Herr Landrock, die Festgemeinde noch einmal und wünschte ihr Gottes Segen zur weiteren Entwicklung.
Von der Muttergemeinde Kohlscheid überbrachte Bruder Kyek ein Grußwort mit Psalm 84, 1-5. Das Grußwort des Vorstandes und der Station Aachen überbrachte Bruder Zerfaß mit Psalm 26, 8 und den Segenswunsch mit Psalm 27, 4. Die abwechselnden Chorgesänge des Männerchores Wermelskirchen und des Gemischten Chores Aachen trugen mit dazu bei, daß der Name unseres Herrn und Heilandes, dem auch dieses Haus geweiht ist, gelobt und gepriesen wurde. Möge auch an dieser Stätte, die mit viel Liebe, Gebet und Opfern erbaut wurde, die Botschaft vom Gekreuzigten viel Frucht für die Ewigkeit wirken.
(Aufzeichnungen aus Anlaß der Kapelleneinweihung in Merkstein aus unbekannter Feder.)
Die Gemeindearbeit im Raume Aachen begann in der nördlich von Aachen gelegenen Kleinstadt Kohlscheid mit dem Zuzug der beiden Brüder Friedrich und Wilhelm Reuber mit ihren Familien aus Hunsheim im Jahre 1904.
Die beiden Brüder Reuber betrieben ein Straßenbaugeschäft und begannen mit Hausversammlungen in der eigenen Wohnung. Die Bevölkerung war nahezu ausschließlich katholisch. Friedrich Reuber war besonders bemüht, mit Leuten Kontakt aufzunehmen, von denen er hörte, daß sie evangelisch seien. Geschwister Reuber gehörten während dieser Zeit zur Gemeinde Köln-Rheinaustraße und wurden von dort betreut. Später kam Bruder Weskott von Rheydt jeden Donnerstagabend nach Kohlscheid, um Bibelstunde zu halten. Im Jahre 1938 kaufte Bruder Reuber ein Haus in Kohlscheid, Weststraße 99. Auf dem Grundstück befand sich ein Photoatelier, das zum Versammlungsraum ausgebaut wurde. Es erhielt auch eine Taufeinrichtung, in der jahrelang die Taufen der Gemeinde Aachen vorgenommen wurden.
In den Jahren 1935 und 1936 diente Bruder Willi Cöster der kleinen Schar als Missionsgehilfe. Von Kohlscheid ging Bruder Cöster, der eine Ausbildung im Seminar für Innere und Äußere Mission in Marburg erhalten hatte, noch für 2 Jahre zum Predigerseminar nach Hamburg. Nach Bruder Cöster diente Bruder Erwin Bohle vorübergehend nebenberuflich der Gemeinde. Er hatte damals ein Geschäft in Kohlscheid.
Die Gemeinde Kohlscheid berief im Jahre 1936 Bruder Wilhelm Jäger, der schon im Ruhestand lebte, zu ihrem Prediger, da es der Gemeinde finanziell nicht möglich war, einen hauptamtlichen Prediger zu unterhalten.
Während dieser Jahre suchten viele in der Nähe stationierte Arbeitsdienstmänner und Soldaten die Versammlungen auf. Sogar russische "Hilfswillige" besuchten einige Male die Gottesdienste, bis es ihnen von vorgesetzter Stelle verboten wurde. Vorher schon, etwa um das Jahr 1930, waren Bergleute aus dem Ruhrgebiet, die im Aachener Revier Arbeit gefunden hatten, ebenfalls in die Versammlungen gekommen. Nachdem es aber im Ruhrgebiet wieder genügend Verdienstmoglichkeiten gab, zogen viele von ihnen dorthin zurück.
Im Mai 1939 verstarb Bruder Friedrich Reuber. Er hatte vor seinem Tode bestimmt, daß der Versammlungsraum auf seinem Grundstück so lange für gottesdienstliche Zwecke benutzt werden sollte, wie Baptisten in Kohlscheid lebten. Bruder Jäger blieb in Kohlscheid, bis das ganze Grenzgebiet zum Kriegsgebiet erklärt und von der Zivilbevölkerung geräumt worden mußte. Das bedeutete auch, daß viele Gemeindeglieder ihre Wohnungen verlassen mußten und das Gemeindeleben vorübergehend zum Erliegen kam.
Gleich nach ihrer Rückkehr im Jahre 1945 haben sich dann einige Gemeindeglieder zusammengefunden und sofort wieder mit Versammlungen begonnen. Bruder Jäger hatte inzwischen Aufnahme gefunden im Pilgerheim Weltersbach. Weil die Gemeinde ohne Prediger war, kam Bruder Jäger während dieser Zeit noch oft von Weltersbach zum Dienst herüber. In den Versammlungsraum war eine Familie einquartiert worden, so daß sich die Geschwister im Gartenhäuschen versammeln mußten, das wochentags der Firma Reuber auch als Kontor diente. Im Jahre 1948 nahm Bruder Hemmen den Dienst als Gemeindeprediger auf. Inzwischen waren viele heimatvertriebene Gemeindeglieder aus dem Osten in den Aachener Raum gezogen und fanden sich zu den Versammlungen ein. Die meisten von ihnen erhielten eine Wohnung in Aachen selbst. Dadurch verlagerte sich auch der Schwerpunkt der Gemeindearbeit nach Aachen. Die Gemeinde rief 1950 ein Missionszelt des Bundes nach Aachen. Den Verkündigungsdienst tat Bruder Mosalkow. Durch diesen missionarischen Einsatz fanden viele Menschen den Weg zur Gemeinde. Jetzt wurde der Versammlungsraum in Kohlscheid zu klein. Für die Sonntagsgottesdienste und Wochenversammlungen wurde ein großes Klassenzimmer einer Schule im Stadtteil Burtscheid gemietet, und die Gemeinde nahm eine gute Aufwärtsentwicklung. Es bildete sich ein gemischter und ein Männerchor. Die Jugendgruppe wuchs und fand zeitweilig in hier studierenden jungen Brüdern eine tatkräftige Unterstützung. In dieser Zeit wurde von der Gemeinde das Trümmergrundstück in der Oranienstraße 22 gekauft, auf dem dann mit starker Unterstützung der amerikanischen Baptisten, mit sehr viel Eigenleistungen und persönlichen Opfern der Aachener Geschwister eine geräumige Kapelle mit entsprechenden Nebenräumen erbaut und im Jahre 1956 eingeweiht wurde.
Von 1956 bis 1961 diente Bruder Lothar Schultze der Gemeinde als Prediger. Zu seiner Zeit fand sich in Aachen auch eine Studentengruppe zusammen, die sich aktiv an der Gemeindearbeit beteiligte. Prediger L. Schultze richtete sein besonderes Augenmerk auf die Kinder- und Jugendarbeit. Im Jahre 1962 kam Prediger Hans Hentrich vom Seminar Rüschlikon nach Aachen und versah seinen Predigtdienst bis zum Jahre 1966. Sein Nachfolger wurde Prediger Rudolf Paas, den der Herr schon 1968 plötzlich und für alle unerwartet zu sich in die Herrlichkeit holte. 1969 berief die Gemeinde dann Bruder Wolfgang Meckbach als ihren Prediger.
(Aus "Es begann 1868 in Köln", Festschrift zum 100 jährigen Bestehen der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden Köln, Beitrag von Pastor Rudolf Paas auf den Seiten 151-152.)
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und wurde zuletzt modifiziert am: 12.02.2006, 21:21 Uhr